Zu dem Artikel „Wie aus Fakten heiße Luft wird.“ wurde ein Kommentar abgegeben, der als Stellungnahme zu einem zurückgezogenen Antrag, Brücke an der Weidenkirche, gewertet werden kann.
Kommentar von Rüdiger Werner, Stadtverordneter, FDP Rödermark
Ein paar Fakten:
Nein, die Stadtverordneten haben keinen solchen Beschluss gefasst. Den Stadtverordneten war die Problematik vor dem FDP-Antrag nicht wirklich bewusst.
Die Entscheidung zum Abriss der alten Brücken hat der Magistrat auf eine dringende Empfehlung der Fachverwaltung getroffen.
Die FDP hat ihren Antrag für erledigt erklärt, weil der Bürgermeister nach einem Gespräch mit den Vertretern der Kirchen versprochen hat, die Brücke zu erneuern. Als Kosten wurden in der Sitzung dafür zwischen 17.000 und 30.000€ genannt.
Sehr viel Geld für 7 Meter Holz über einen 1,50 Meter tiefen Graben mit 20 cm Wasserstand. Ja, es gibt ein schriftliches Angebot für eine Holzbrücke über 4.000 € einer Rödermärker Tischlerei. Ja, es gibt eine mündliche Antwort auf die Anfrage, was 3 geeignete Stahlträger für die Brücke kosten würden. Ja, es gibt eine grobe Schätzung eines Rödermärker Gartenbauunternehmens, was denn ein einfaches Fundament kosten würde, das 3 Stahlträger und eine 7 m lange Holzbrücke zu stützen hätte. Das ist sicherlich kein fertiges Komplettangebot und es sind auch keinerlei Normen oder Vorgaben für öffentliche Bauwerke berücksichtigt. Es wäre bloß ein zweckdienliches Bauwerk, das bestimmt 30 Jahre seine Funktion erfüllen würde und deutlich unter 10.000 € kosten würde.
Gut, die meisten Stadtverordneten und der Magistrat waren auch bereit, 20.000 € für ein den Reglementierungen entsprechendes Bauwerk auszugeben. Gestorben ist das Projekt, als die Bauverwaltung den Untergrund beproben ließ und sich herausstellte, dass ein aufwendiges Fundament errichtet werden müsste und die Kosten für die neue Brücke mindestens 60.000 € betragen würden. Das war es richtigerweise weder der FDP noch den anderen Stadtverordneten wert.
Die entscheidende Frage ist: kann es wirklich sein, dass ein einfaches Problem (wie überquere ich sicher und ohne nasse Füße einen 5 m breiten Graben mit fließendem Wasser), für das es seit Jahrhunderten einfache und zweckdienliche Lösungen gibt, nur für den Preis einer Luxuslimousine zu lösen ist, bloß weil es sich um einen öffentlichen Raum handelt? Warum ist die einfache, kostengünstige Lösung zusammen mit dem Schild „Nutzung auf eigene Gefahr“ nicht möglich?
Ich persönlich widerspreche dem Kommentar von „Einer“ (Admin siehe Anmerkungen) deutlich. Das Leben ist nicht ohne Risiko. Und das Risiko kann nicht immer zu 100% bei der Allgemeinheit liegen. Wo ist das Problem bei der „eigenen Gefahr“? Das nennt man Eigenverantwortung! Die einen sind dazu bereit und nehmen das Risiko auf sich, über eine Brücke zu gehen, die anderen sind es nicht und nehmen lieber einen großen Umweg in Kauf, um auf der vermeintlich ganz sicheren Seite zu sein. So wäre es richtig.
Ich hätte mir die Eppertshäuser Lösung auch für die Brücke an der Weidenkirche gewünscht.
Anmerkung
» Linkhinweis im Kommentar wurde vom Admin gesetzt.
» Hinweise auf „Einer“. „Einer“ hat hier einen Kommentar abgegeben.
» Eppertshäuser Lösung siehe hier.
Siehe auch
» 13.06.2019 Gegenüber der Weidenkirche. Da war mal eine Brücke.
» 18.09.2019 Weidenkirche. Neue Brücke über die Rodau.
» 26.09.2019 Weidenkirche, 100 wilde Bäche und heller Asphalt.
» 03.10.2019 FDP Antrag zur Rodaubrücke an der Weidenkirchen unnötig.
» 03.10.2019 Fakt ist…..Rodaubrücke wird gebaut. Stadtpost Seite 3
» 23.10.2019 SPD bezweifelt, dass die „Grüne Mitte“ ….
» 21.11.2019 Brückenbau an der Weidenkirche. Bodenerkundung.
» 30.05.2020 Wie aus Fakten heiße Luft wird.
Rödermark intern.
Aus dem Haushaltsplan 2024/2025
Haushaltssicherungskonzept
Ein Haushaltssicherungskonzept gem.
§ 92 a Abs. 1 Nr. 1 HGO entfällt in den Fällen, in denen der Saldo des Zahlungsmittelflusses aus laufender Verwaltungstätigkeit zwar nicht so hoch ist, dass daraus die Auszahlungen zur ordentlichen Tilgung von Krediten sowie ggf. an das Sondervermögen „Hessenkasse“ geleistet werden können, jedoch ausreichend ungebundene Liquidität für die Tilgungsleistungen und ggf. Auszahlungen an das Sondervermögen „Hessenkasse“ zur Verfügung steht.
Amerkung:
Wie es die zugänglichen Daten zum Haushalt zeigen, dürfte Rödermark Anfang 2025 nicht mehr in der Lage sein, die oben genannten Zahlungen weder aus laufender Verwaltungstätigkeit noch aus ungebundener Liquidität zu begleichen.
Wann wird der Magistrat den Stadtverordneten das Haushaltssicherungskonzept vorlegen? Nach der Bürgermeisterwahl?
Herr Dr. Werner, danke für Ihren Kommentar. Weil Sie meinen Bedenken entgegentreten: Könnten Sie das Risiko, was Sie meinen, bitte näher beschreiben? Ich würde dann gerne meine Anmerkung (siehe anderer Artikel) weiter präzisieren.
Lieber „Einer“,
ich hoffe, sie haben etwas Zeit mitgebracht, denn Kurzfassen ist nicht meine Stärke.
Nachtrag zum Thema „persönlichen Risiko“
Nicht das mich jemand falsch versteht: Ich bin keiner, der ohne Falschschirm aus dem Flugzeug springt. Ich bin keiner, der bei Sturm in den Wald geht oder mit Flip-Flops Berge besteigt. Aber ich bin auch keiner, der, wenn er über eine Wurzel stolpert oder in eine Pfütze tritt, auf die Idee kommt, die Stadt, das Land oder der Bund sei schuld. Nein, die Schuld liegt dann ausschließlich bei mir, der nicht aufgepasst hat.
Sicherheit ist wichtig und Sicherungspflichten sind prinzipiell zu erfüllen. Aber: Sicherheit und persönliche Freiheit sind in den meisten Fällen direkte Gegenspieler und die Aufgabe der Legislative ist es, hier eine gesunde Balance zu finden zwischen den Interessen der Bürger, der persönlichen Freiheit der Bürger und deren Sicherheit. Und diese Balance ist in den letzten Jahrzehnten immer weiter in Richtung Sicherheit gerutscht, was ich für falsch und für die Allgemeinheit für sehr teuer halte.
Ein paar Fragen dazu:
Über 3.000 Menschen sterben jährlich im Straßenverkehr. Sollen wir deshalb das Autofahren verbieten? Statistisch gesehen haben Motorradfahrer während der Fahrt ein vielfach höheres Risiko, tödlich zu verunglücken, Traktorfahrer ein besonders niedriges. Und trotzdem kommt keiner auf die Idee, Motorräder komplett zu verbieten und nur noch Traktoren als neue Verkehrsmittel zuzulassen (bisher jedenfalls nicht …). Man kann nicht alle Bäume fällen, damit Spaziergänger im Park und im Wald nicht mehr von herunterfallenden Ästen getroffen werden können. Man kann nicht alle Wespen, Bienen, Hummeln vergiften, nur damit keine Menschen mehr gestochen werden können und vielleicht an einem allergischen Schock sterben. Man kann nicht alle Flüsse, Bäche, Seen einzäunen oder mit einem Betondeckel versehen, nur weil man eventuell ins Wasser fallen und ertrinken könnte. In Groß-Umstadt ist vor Jahren mal ein Mann in einer 20 cm tiefen Pfütze ertrunken (sturzbesoffen gestürzt und mit dem Gesicht voran in der Pfütze gelandet) – also verbieten wir jetzt einfach das Spazierengehen nach starken Regenfällen? Rund 30 % der Deutschen können nicht schwimmen – sollten wir da nicht alle Schwimmbäder und Badeseen schließen – viel zu gefährlich? Und Berge sind ja generell viel zu gefährlich. Also Skier verbieten und Wanderwege nur freigeben, wenn sie auf der ganzen Strecke gegen Absturz gesichert ist? Über Steine kann man stolpern und sich schwer verletzen. Also dürfen auf Wanderwegen – egal wo – in Zukunft keine größeren Steine mehr liegen?
In einer solchen Welt kann man sich gleich 80 Jahre in sein Zimmer setzen, im Home Office arbeiten, sich von Lieferservices beliefern lassen und auf seinen Tod warten.
Glücklicherweise sind wir noch nicht so weit. Aber die Tendenzen sind da. Denn wie erklärt man sonst einem Bürger die in öffentlicher Sitzung gefallenen 60.000 € für eine Brücke über einen 5 m breiten und 1,5 m tiefen Graben?
Wenn man mal über die alte Brücke gegangen ist und gesehen hat, wie lange sich schweres Gerät abgemüht hat, den Beton dort zu entfernen, dann kommt man zu dem Urteil: diese Brücke hätte noch 100 Jahre gehalten. Zumindest für Fußgänger und Radfahrer. Aber hier sollten ja auch keine Autos drüber. Die Brücke hat die Rodau verrohrt. Das ist weder für die Wanderung von Arten schön noch bei wasserreichen Tagen, wo hier eine Engstelle ist. Dass diese Engstelle entfernt wurde, ist einer der wenigen positiven Aspekte des Abrisses.
An dieser Stelle würden maximal 20 Radfahrer, 100 Spaziergänger und 60 Hunde täglich die Rodau überqueren. Braucht man dafür wirklich in 4 m Tiefe verankerte Spezialfundamente? Eine besondere Aufmerksamkeit auf Sicherheitsaspekte widme ich vielleicht einer Hängebrücke über eine 200 Meter tiefe Andenschlucht. Aber bei einem kleinen Bach, über den viele schon mal darübergesprungen sind? Wie groß ist die Gefahr eines Brückeneinsturzes wirklich, wenn man eine Light-Brücke baut? Nach meiner Meinung nicht messbar. Wie soll eine Holzbrücke durchbrechen? Wenn es bei einem schlimmen Hochwasser tatsächlich zu Unterspülungen des Fundaments kommen sollte, kann man immer noch die Fundamente erneuern. Selbst wenn etwas passiert – man stürzt nur etwas mehr als ein Meter tief und wird nass.
Ich will hier der Stadt keinen direkten Vorwurf machen. Vermutlich sind die Vorschriften so und die Stadt hat die Vorschriften nicht gemacht. Aber über diese Vorschriften selbst (die ich im Übrigen nicht kenne und die man auch uns Stadtverordneten nicht gezeigt hat), rege mich etwas auf.
Um die Frage nach einem Kind zu beantworten. Was ist wahrscheinlicher: dass ein Kindergartenkind während der 1500 Meter entlang der Rodau zwischen Ober-Roden und Urberach irgendwo beim Versuch, an das Wasser zu kommen, abrutscht und in das Wasser fällt oder dass es bei der Überquerung einer 7 m langen Holzbrücke, die nicht den behördlichen Sicherheitsanforderungen entspricht, zu Schaden kommt?
Eltern beginnen in der Regel schon im 1. Lebensjahr, ihren Kindern Grenzen aufzuzeigen und sie vor Gefahren zu schützen. Das zieht sich durch die gesamte Kindheit: Pass hier auf! Mach das oder das nicht! Schütze dich vor dem und dem!
Erziehung und guter Menschenverstand lassen auch Kinder Gefahren meist richtig einschätzen. Die wenigsten Kinder wie Erwachsene würden über eine Brücke mit sichtbar morschen Holzplanken laufen. Aber über die Eppertshäuser Brücke? Ich bitte Sie! Das Risiko, das die Brücke beim Überqueren unter mir einstürzt, liegt sicherlich bei kleiner 1:1.000.000 und selbst wenn, werde ich es überleben. Dafür nehme ich keinen großen Umweg in Kauf.
Ein bisschen mehr Eigenverantwortung, ein bisschen mehr persönliches Risiko statt der umsichgreifenden Vollkaskomentalität würde unserer Gesellschaft gut tun.