Rödermark. Aufgefallen an Pfingsten
An Pfingsten sind mir viele frisch gemähte Wiesen aufgefallen. Als Hundehalter und Betroffener der Setz- und Brutzeit ging mir da so einiges durch den Kopf.
Was ich zunächst als Schreibfehler in der Antwort von Herrn Dr. Werner angesehen habe, ist ein mir bisher völlig unbekanntes Wort. Mahd. Mahd bezeichnet das Mähen von Gras und Getreide,
Frage an den Vorsitzenden des NABU / Rödermark
Sehr geehrter Herr Dr. Werner,
am Pfingstwochenende war ich in der Gemarkung Rödermark mit dem Rad unterwegs. Wie man sehen kann, sind viele Wiesen rund um das Schützenhaus Diana abgemäht.
Die von mir gesehenen Flächen sind teilweise schon länger abgemäht. Es gibt, so jedenfalls berichtet man mir, noch weitere abgemähte Flächen in der Gemarkung Rödermark.
Mein Hund darf in der Setz- und Brutzeit nur in den gekennzeichneten Flächen frei laufen. Ich versuche mit anderen Hundehaltern ins Gespräch zu kommen, die ihre Hunde außerhalb dieser Flächen in der Setz- und Brutzeit frei laufen lassen. Meine Argumentation für das Einhalten dieser Regel wird immer schwieriger und ist vielfach total aussichtslos. Eine Antwort von vielen: „Warum soll ich meinen Hund anleinen, wenn der Bauer die Vögel beim Mähen durch den Quirl schickt?“ Natürlich kommt immer wieder: „Ich zahle ja Hundesteuer. Die höchste in der BRD.“ Jetzt zu den Fragen.
Frage:
Werden die Wiesen in Absprache NABU / Landwirt gemäht?
Antwort:
Nein. Mähflächen und Mähtermine sind alleinig Sache des Landwirts. Der ehrenamtliche Naturschutz muss hierüber nicht in Kenntnis gesetzt werden.
Frage:
Schädigt der Landwirt (notgedrungen) mit den Mähaktionen den Tieren nicht mehr als dies die Hunde aus Rödermark können?
Antwort:
Nicht unbedingt. Natürlich können durch diese Mahden Verluste in der Tierwelt entstehen. Hier sind Kompromisse zwischen dem Naturschutz und der erwerbsmäßigen Landnutzung nötig. Das geschieht auch. Für besonders sensible Bereiche mit seltenen Pflanzengesellschaften (z.B. Orchideen) oder auch langjährige Brutplätze seltener Vogelarten (z.B. Kiebitz) können deshalb den entsprechenden Landwirten von der Naturschutzbehörde Auflagen gemacht werden (z.B. nicht vor dem 15. Juli erstmalig zu mähen oder nur eine Mahd im Jahr mit einem bestimmten Zeitfenster). Dadurch wird eventuell entstehender Verdienstausfall entschädigt.
Wir ehrenamtlichen Naturschützer haben mit einigen Landwirten mündliche Vereinbarungen dahingehend, dass wir uns bekannte Nistplätze von Bodenbrütern angezeigt werden. Die Landwirte haben sich bereit erklärt, diese von uns benannten Nistplätze bei einer Mahd auszulassen.
Da uns unmöglich alle Nester bekannt sind, garantiert diese Methode allerdings keinen 100%igen Schutz. Dies ist der Kompromiss.
Frage:
In einer Presseerklärung von 2012 (AL die Grünen) wird ausdrücklich der Leinenzwang mit dem Schutz der Bodenbrüter ( zum Teil gar vom Aussterben bedrohter Vogelarten) begründet und die Forderung des NABU uneingeschränkt unterstützt. (Quelle: http://www.al-gruene.de/index.php?start=25)
Antwort:
Das ist auch weiterhin der Fall. Wobei der NABU immer betont hat, dass es im Prinzip nicht das Laufen ohne Leine ist, das Probleme bereitet, sondern das Verlassen der Wege, das Benutzen von Trampelpfaden, das Querfeldein laufen. Hierbei ist es egal, ob der Hund an der Leine geführt wird oder neben seinem Herrchen herläuft. So gibt es kaum noch Bereiche, wo Vögel in Ruhe brüten können, ohne dass ihnen wiederholt Hunde wie Menschen so nahekommen, dass die Fluchtdistanz unterschritten wird.
Frage:
Sind die Bodenbrüter ab dem 1.6. mit ihrer Brut fertig?
Antwort:
Nein. Je nach Witterung mag eine Kiebitz- oder Lerchenbrut hier schon fertig sein, aber die Erstbruten von Bodenbrütern ziehen sich in der Regel bis Ende Juni hin.
Frage:
Folgende Frage ist schwer zu beantworten, da ich die abgemähten Stellen nicht eindeutig angeben kann. Ich habe die Flächen rund um das Schützenhaus gesehen. Aus Gesprächen mit anderen Hundehaltern sind das aber nicht die einzigen abgemähten Wiesen. Sie als NABU Vorsitzender kennen sicherlich weitere Flächen.
Antwort:
Je nach Nutzungsgrad der Wiesen ist es üblich zwischen Mitte Mai und Ende Juni die Erstmahd durchzuführen. Daher werden in diesen Wochen praktisch alle als intensives Grünland bewirtschaftete Flächen gemäht.
Frage:
Gibt es in diesen Gebieten (abgemähte Wiesen) keine Bodenbrüter?
Antwort:
Es gibt generell (auch aus diesem Grund) nur noch sehr wenige Wiesenbrüter. Doch die Vögel sind anpassungsfähig. So brüten die meisten unserer Feldlerchen mittlerweile auf Ackerflächen, die erst mit der Getreideernte (also deutlich später) gemäht werden. Auch der Kiebitz macht es so. Andere wiesenbrütende Arten brüten heute nur noch auf Flächen, die jahrelang nicht mehr im Frühjahr gemäht wurden (Naturschutzgebiete, verwilderte Flächen, etc.), sodass sich die direkten Verluste für die Bodenbrüter durch die Landwirtschaft in Grenzen halten.
Frage:
Wenn es andere Tiere mit Nachwuchs auf diesen Flächen gibt, frage ich mich, wo finden denn diese auf den kahlgeschorenen Flächen Schutz?
Antwort:
Auch Feldhasen und Rehe gehören zu den Leidtragenden einer frühen Mahd. Die gemähten Flächen eignen sich für einige Wochen nicht mehr als Lebensraum für die Jungtiere. Problematischer sind die indirekten Folgen. Kurz nach einer Mahd finden sich zwar viele Vögel auf den gemähten Flächen ein, um Samen oder nun schutzlose Insekten aufzupicken. In den Folgewochen fällt die gemähte Wiese allerdings als Nahrungsgrundlage aus. Viele Mahden begünstigen wenige wuchs- und konkurrenzstarke Pflanzenarten. Die Vielfalt geht verloren. Solches Grünland ist für die Artenvielfalt nicht sehr viel wertvoller als eine Ackerfläche.
Frage:
Wenn die Fachleute sagen „Wir brauchen eine Brut- und Setzzeit“, sollte diese auch akzeptiert werden. Was hilft es aber, wenn sich die Hundehalter daran halten und kurz vor Ende dieser Zeit von dem Bauer Spiegelei mit Speck auf dem Feld zurückgelassen wird. Kein Vorwurf an die Landwirtschaft. Die Felder müssen gemäht werden. Oder?
Antwort:
Ich habe glücklicherweise noch keinen Landwirt kennengelernt, der die Belange des Naturschutzes völlig ignoriert bzw. sogar missachtet. Ich habe den Eindruck, die Landwirtschaft ist im Rahmen ihrer Möglichkeiten kompromissbereit. Wenn die Allgemeinheit hier dem Naturschutz eine höhere Bedeutung beimessen möchte (was ich natürlich begrüßen würde), muss sie auch bereit sein, dafür die Kosten zu übernehmen.
Bei den Hundehaltern sind unsere Erfahrungen deutlich gemischter. Um es einmal grob einzuteilen: Etwa die Hälfte aller Hunde und ihre Halter machen dem Naturschutz überhaupt keine Probleme. Etwas 40 % der Hundehalter machen dem Naturschutz Probleme aus Unwissenheit und ohne böse Absicht. Dies ist unsere Hauptzielgruppe. Hier hilft vor allem Aufklärung und Information. Maximal 10 % der Hundehalter setzen ihre persönliche Freiheit über die Belange des Naturschutzes und sind nicht kompromissbereit. Von diesen wiederum schadet mehr als die Hälfte der Natur aber kaum, weil sie gar nicht in sensiblen Bereichen spazierengehen und/oder ihre Hunde von sich aus nicht weglaufen und in jedes Gebüsch springen. Letztendlich ist es vielleicht jeder 25. Hundehalter, dessen Fehlverhalten praktisch nur durch Strafmaßnahmen des Gesetzgebers (eventuell) korrigiert werden kann. Sollte es zu einer Verschärfung der Leinenpflicht kommen, wäre das aus unserer Sicht dieser Minderheit geschuldet.
Frage:
Welche Maßnahmen wären aus Sicht des NABU zielführend, um den Schutz der Bodenbrüter zu verbessern?
Antwort:
Vor allem aufklärerische Maßnahmen. Man muss den Beteiligten klarmachen, worin eigentlich das Problem besteht. Eine Brut ist dann erfolgreich, wenn das Vogelpaar einen geeigneten Nistplatz finden, in dem sie über einen gewissen Zeitraum sich ohne Störungen um die Aufzucht ihrer Jungen kümmern können. Die Schlüsselwörter hierbei sind „geeigneter Nistplatz“ und „ohne Störungen“. Geeignete Nistplätze sind immer schwieriger zu finden, weil zum einen Teile der Feldflur zu aufgeräumt sind, Totholz z.B. entfernt wird, und zum anderen durch die schleichende Verringerung der Artenvielfalt das Nahrungsangebot für viele Vögel im Bereich der verbliebenen geeigneten Nistmöglichkeiten nicht mehr groß genug ist. Eine Störung ist die Annäherung eines Hundes genauso wie die Annäherung eines Menschen, wobei Hunde – und hier wiederhole ich meine stark kritisierte Aussage gerne – von den meisten Vögeln ähnlich wie Fuchs, Marder und Katze in erster Linie als Raubtier gesehen werden mit einer entsprechend hohen Fluchtdistanz.
Meine Wünsche als örtlicher NABU-Vorsitzender wären:
An die Grundstücksbesitzer:
Wenn es keine zwingenden Gründe gibt, beschränken Sie sich auf maximal zwei Mahden im Jahr. Lassen sie abgestorbene Bäume stehen, legen sie vielleicht sogar einen Totholzhaufen an, geben sie Wildblumen und Wildkräutern eine Chance.
An die Landwirte:
Nehmen sie generell Rücksicht auf wildlebende Tiere auf den von ihnen bewirtschafteten Flächen. Versuchen Sie nicht, jeden Quadratmeter Boden umzupflügen, sondern lassen sie einen breiteren Ackerrandstreifen als bisher stehen. Dies verringert die Konflikte mit den Hundehaltern und ist gut für die Artenvielfalt.
An die Hundehalter:
Nehmen Sie Hunde mit ausgeprägtem Jagdtrieb generell an die Leine. Verzichten Sie in der Setz- und Brutzeit darauf, mit ihrem Hund querfeldein zu laufen, bleiben Sie auf den Hauptwegen, benutzen Sie keine Trampelpfade, lassen sie ihren Hund nicht weiter als 5 m entlang der Hauptwege frei laufen, nehmen Sie ihn generell in der Nähe von Gewässern an die Leine. Sorgen Sie allgemein dafür, dass sich in dieser Zeit die ungestörten Räume für die Tierwelt vergrößern, auch indem Sie andere Personen darüber aufklären.
An die Kommune:
Auch Hunde sollen sich frei bewegen können, einmal toben dürfen. Weisen Sie daher in Absprache mit Grundstückseignern, Landwirten, Naturschutz und Jagdpächtern mehrere Hundewiesen im Stadtgebiet aus, auf denen Hunde ganzjährig ohne Leine nach Belieben toben dürfen. Diskutieren Sie zumindest Entschädigungen mit den Eigentümern.
Vielen Dank Herr Dr. Werner für die Beantwortung der Fragen.
Einige Erkenntnis (aus vielen) möchte ich besonders hervorheben.
[..]Letztendlich ist es vielleicht jeder 25. Hundehalter, dessen Fehlverhalten praktisch nur durch Strafmaßnahmen des Gesetzgebers (eventuell) korrigiert werden kann. Sollte es zu einer Verschärfung der Leinenpflicht kommen, wäre dass aus unserer Sicht dieser Minderheit geschuldet.[..]
Es wird nicht ziellos gemäht sondern:
[..]dass wir uns bekannte Nistplätze von Bodenbrütern angezeigt werden. Die Landwirte haben sich bereit erklärt, diese von uns benannten Nistplätze bei einer Mahd auszulassen.[..]
Siehe auch
» Stadtverordnetenversammlung am 17.06.2014
» und dort der Tagesordnungspunkt Ö5. Einheitliche und verbesserte Regelungen zur Anleinpflicht während der Setz- und Brutzeit
» Gespräche zum Thema Hund.
Auch noch auf der Tagesordnung
Bin ja mal gespannt, ob sich die CDU durchringt und der Reduzierung der Vereinsförderung zustimmt. Ich habe noch die Worte des Fraktionsvorsitzenden der CDU im Ohr. „Wir müssen uns das nochmal überlegen. Ich lasse mich doch nicht (nach einer Zustimmung) wie eine Sau durch den Ort treiben.“
Hier der Antrag.
Rödermark intern.
Aus dem Haushaltsplan 2024/2025
Haushaltssicherungskonzept
Ein Haushaltssicherungskonzept gem.
§ 92 a Abs. 1 Nr. 1 HGO entfällt in den Fällen, in denen der Saldo des Zahlungsmittelflusses aus laufender Verwaltungstätigkeit zwar nicht so hoch ist, dass daraus die Auszahlungen zur ordentlichen Tilgung von Krediten sowie ggf. an das Sondervermögen „Hessenkasse“ geleistet werden können, jedoch ausreichend ungebundene Liquidität für die Tilgungsleistungen und ggf. Auszahlungen an das Sondervermögen „Hessenkasse“ zur Verfügung steht.
Amerkung:
Wie es die zugänglichen Daten zum Haushalt zeigen, dürfte Rödermark Anfang 2025 nicht mehr in der Lage sein, die oben genannten Zahlungen weder aus laufender Verwaltungstätigkeit noch aus ungebundener Liquidität zu begleichen.
Wann wird der Magistrat den Stadtverordneten das Haushaltssicherungskonzept vorlegen? Nach der Bürgermeisterwahl?