Pressemitteilung Nr. 64/2014 vom 23. Juli 2014
Beschluss vom 25. Juni 2014
1 BvR 668/10
1 BvR 2104/10
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Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge
bei konkret-individueller Zurechnung eines Sondervorteils zulässig
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Die Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge ist
verfassungsrechtlich zulässig. Die Differenzierung zwischen
Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen muss nach Maßgabe des
konkret zurechenbaren Vorteils vorgenommen werden, dessen
Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. Dies hat der
Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem
Beschluss entschieden. Die maßgebliche Vorschrift des
rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetzes ist bei
verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar. Zur
Prüfung der Frage, ob die angegriffenen Beitragssatzungen den jetzt
geklärten verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden, werden
die Verfahren an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
zurückverwiesen.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerinnen wurden auf der Grundlage kommunaler Satzungen
zu wiederkehrenden Beiträgen für Verkehrsanlagen herangezogen. Dem
Verfahren 1 BvR 668/10 liegt ein Bescheid der Stadt Saarburg für das
Jahr 2007 in Höhe von 146,30 € zu Grunde, dem Verfahren 1 BvR 2104/10
ein Bescheid der Stadt Schifferstadt für das Jahr 2006 in Höhe von 27,36
€. Die hiergegen gerichteten Klagen blieben vor den Verwaltungsgerichten
im Wesentlichen ohne Erfolg. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich
mittelbar auch gegen die Rechtsgrundlage der Beitragssatzungen in § 10a
des rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetzes (KAG RP).
Wesentliche Erwägungen des Senats:
1. Der wiederkehrende Beitrag beruht auf einer gesetzlichen Grundlage,
die die Kompetenzordnung des Grundgesetzes wahrt. Wiederkehrende
Beiträge nach § 10a KAG RP sind keine Steuern, sondern nichtsteuerliche
Abgaben, für die den Ländern nach den allgemeinen Regeln die
erforderliche Sachgesetzgebungskompetenz zusteht (Art. 30, 70 ff. GG,
Straßenausbaubeitragsrecht).
2. Die Verfassungsbeschwerden sind unbegründet, soweit sie sich
grundsätzlich gegen die Möglichkeit wenden, wiederkehrende Beiträge für
Verkehrsanlagen nach § 10a KAG RP aufzuerlegen.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem
Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich
zu behandeln. Aus dem Gleichheitssatz folgt für das Steuer- und
Abgabenrecht der Grund¬satz der Belastungsgleichheit. Bei der Auswahl
des Abgabengegenstands sowie bei der Bestimmung von Beitragsmaßstäben
und Abgabensatz hat der Gesetzgeber einen weitreichenden
Gestaltungsspielraum. Wer eine nichtsteuerliche Abgabe schuldet, ist
allerdings regelmäßig zugleich steuerpflichtig. Daher bedürfen
nichtsteuerliche Abgaben, einer – über den Zweck der Einnahmeerzielung
hinausgehenden – besonderen sachlichen Rechtfertigung. Als sachliche
Gründe, die die Bemessung einer Gebühr oder eines Beitrags rechtfertigen
können, sind vor allem Zwecke des Vorteilsausgleichs, der
Verhaltenslenkung sowie soziale Zwecke anerkannt.
Es ist ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers, die Erhebung von Abgaben
so auszugestalten, dass sie praktikabel bleibt, und sie von übermäßigen,
mit Rechtsunsicherheit verbundenen Differenzierungsanforderungen zu
entlasten. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die
Abgabepflichtigen darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen.
Vielmehr müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu
der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen.
Werden Beiträge erhoben, verlangt Art. 3 Abs. 1 GG, dass die
Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht
Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen wird, dessen
Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. Erfolgt die
Erhebung von Straßenausbaubeiträgen grundstücksbezogen, können nach dem
Grundsatz der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit nur solche
Grundstücke herangezogen werden, deren Eigentümer aus der Möglichkeit,
die ausgebauten Straßen in Anspruch zu nehmen, einen Sondervorteil
schöpfen können, der sich von dem der Allgemeinheit der Straßennutzer
unterscheidet. Soweit die Beitragserhebung grundstücksbezogen erfolgt,
muss auch der Sondervorteil grundstücksbezogen definiert werden.
b) Die Heranziehung zu wiederkehrenden Beiträgen nach Maßgabe des § 10a
KAG RP verstößt bei verfassungskonformer Auslegung nicht gegen das Gebot
der Belastungsgleichheit.
aa) Während nach Auffassung des Landesgesetzgebers beim einmaligen
Beitrag der Sondervorteil in der rechtlichen und tatsächlichen
Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zuganges „zu der hergestellten oder
ausgebauten Verkehrsanlage“ besteht, soll beim wiederkehrenden Beitrag
die Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu „einer der
Verkehrsanlagen“ – also nicht nur zu einer bestimmten, gerade
hergestellten oder ausgebauten Verkehrsanlage – genügen.
Damit bewegt sich der Landesgesetzgeber innerhalb der durch den
Gleichheitssatz gezogenen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit. Mit dem
Ausbaubeitrag wird nicht die schlichte auch der Allgemeinheit zustehende
Straßenbenutzungsmöglichkeit entgolten, sondern die einem Grundstück mit
Baulandqualität zugutekommende Erhaltung der wegemäßigen Erschließung
als Anbindung an das inner- und überörtliche Verkehrsnetz. Durch den
Straßenausbau wird die Zugänglichkeit des Grundstücks gesichert und
damit der Fortbestand der qualifizierten Nutzbarkeit. Dem liegt der
Gedanke zugrunde, dass zur wegemäßigen Erschließung eines bestimmten
Grundstücks allein die Straße, an der es gelegen ist, regelmäßig nicht
ausreicht. Vielmehr wird der Anschluss an das übrige Straßennetz meist
erst über mehrere Verkehrsanlagen vermittelt.
bb) Die Bildung einer einheitlichen Abrechnungseinheit für
Straßenausbaubeiträge ist zulässig, wenn mit den Verkehrsanlagen ein
konkret-individuell zurechenbarer Vorteil für das beitragsbelastete
Grundstück verbunden ist.
§ 10a KAG RP eröffnet dem Satzungsgeber die Möglichkeit, einheitliche
öffentliche Einrichtungen zu bilden, die nicht notwendig das gesamte
Gemeindegebiet umfassen, sondern auch nur einzelne, abgrenzbare
Gebietsteile. Der Gesetzgeber sah die Ausübung des Satzungsermessens
dahingehend, dass sämtliche zum Anbau bestimmte Verkehrsanlagen einer
Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung bilden, als Regelfall
an, was auch vor dem Hintergrund zu sehen ist, dass es in
Rheinland-Pfalz besonders viele kleinere Gemeinden gibt.
cc) Die Bildung einer einzigen Abrechnungseinheit im gesamten
Gemeindegebiet durch Satzung ist dann gerechtfertigt, wenn mit den
Verkehrsanlagen ein Sondervorteil für das beitragsbelastete Grundstück
verbunden ist. Besteht ein solcher Vorteil nicht wie dies regelmäßig in
Großstädten oder Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet der Fall sein
wird , läge in der Heranziehung aller Grundstücke zur Beitragspflicht
eine Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte.
(1) Der Wortlaut des § 10a KAG RP steht einer solchen
verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen, da dem Satzungsgeber
ausdrücklich vorgeschrieben ist, die örtlichen Gegebenheiten zu
berücksichtigen. In Großstädten oder Gemeinden ohne zusammenhängendes
Gebiet ist das eröffnete Satzungsermessen zur Bildung einer einzigen
Verkehrsanlage im gesamten Gemeindegebiet insoweit von Verfassungs wegen
auf Null reduziert, als nur so dem Gebot eines zurechenbaren
Sondervorteils auch bei Berücksichtigung des Typisierungs- und
Vereinfachungsspielraums des Satzungsgebers Rechnung getragen werden
kann.
(2) Eine Beitragserhebung kommt nur für diejenigen Grundstücke in
Betracht, die von der Verkehrsanlage einen jedenfalls potentiellen
Gebrauchsvorteil haben, bei denen sich also der Vorteil der Möglichkeit
der Nutzung der ausgebauten Straßen als Lagevorteil auf den
Gebrauchswert des Grundstücks auswirkt. Nur in diesem Fall erscheint es
nach dem Maßstab des Gleichheitssatzes gerechtfertigt, gerade den oder
die Eigentümer dieses Grundstücks zu einem Beitrag für die Nutzung der
ausgebauten Straße heranzuziehen.
Ob die herangezogenen Grundstücke einen konkret zurechenbaren Vorteil
von dem Ausbau und der Erhaltung einer Verkehrsanlage haben, hängt dabei
nicht von der politischen Zuordnung eines Gebiets, sondern vor allem von
den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten ab, etwa der Größe, der
Existenz eines zusammenhängenden bebauten Gebiets, der Topographie wie
der Lage von Bahnanlagen, Flüssen und größeren Straßen oder der
typischen tatsächlichen Straßennutzung. Dabei dürfte in Großstädten die
Aufteilung der Verkehrsanlagen in mehrere abgrenzbare Gebietsteile
regelmäßig erforderlich und unbeschadet des ansonsten bestehenden
Satzungsermessens die Annahme einer einheitlichen öffentlichen
Einrichtung ausgeschlossen sein; in kleinen Gemeinden – insbesondere
solchen, die aus nur einem kleinen, zusammenhängend bebauten Ort
bestehen – werden sich einheitliche öffentliche Einrichtung und
Gemeindegebiet dagegen häufig decken.
Ein „funktionaler Zusammenhang“ von Verkehrsanlagen, wie er früher vom
Landesgesetzgeber und den Verwaltungsgerichten gefordert wurde, ist für
die Bildung einer Abrechnungseinheit von Verkehrsanlagen durch den
Gleichheitssatz jedoch nicht vorgegeben. Aus verfassungsrechtlicher
Sicht kommt es allein darauf an, dass eine individuelle Zurechnung von
Vorteil und Beitragspflicht hergestellt werden kann.
3. Die angegriffenen Entscheidungen sind den verfassungsrechtlichen
Anforderungen aus dem Grundsatz der Belastungsgleichheit nicht in vollem
Umfang gerecht geworden. Insbesondere hat das Oberverwaltungsgericht bei
der Anwendung von § 10a KAG RP nicht geprüft, ob ein individuell-konkret
zurechenbarer, grundstücksbezogener Vorteil der beitragspflichtigen
Grundstücke vom Anschluss an die jeweilige Beitragseinheit vorhanden
ist. Daher sind die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz aufzuheben und die Verfahren dorthin zurückzuverweisen
Quelle: Bundesverfassungsgericht
Siehe auch
SPD-Rödermark informiert zu Straßenbeitrage
Rödermark intern.
Der Termin für die Bürgermeisterwahl wurde beschlossen. 26. Januar 2025. Der Hebesatz für die Grundsteuer B wird ab dem 1.1.2025 von 715 Prozentpunkte auf 800 Prozentpunkte angehoben.
Ich glaube, im Jahr 2025 wird eine weitere Grundsteuer B Erhöhung geben MÜSSEN. Die Haushaltsdaten sprechen eine deutliche Sprache. Aber erst nach der Bürgermeisterwahl.